Scheuklappenmentalität 

Beach dog, Sri Lanka

An einem Abend bin ich kurz vor einem Tränenausbruch im glücklichen Touristenort Arugam Bay. Ich habe schon ein paar magere Hunde gesehen, habe schon mehrere Hunde mit Essensresten und Hundefutter gefüttert. Aber alles in allem hatte ich den Eindruck, dass es den Hunden hier relativ gut geht. Manchen besser, manchen schlechter. Und kurz bevor wir Arugam verlassen, sehe ich den schrecklichsten Hund. Nur noch vereinzelt sind Fellstückchen an seinem Körper zu finden. Die nackte Haut schimmert an vielen Stellen durch. Er sitzt auf einem Sandhaufen. Wir sind auf dem Weg zu einem Konzert und finden ihn in der Einfahrt. Ich sehe sofort, dass etwas nicht stimmt. Der Hund sitzt zusammengekauert da und es schüttelt ihn regelmäßig durch. Hat er eine Krankheit, einen Virus oder ist er gar am sterben? Meine Augen verengen sich, ich bleibe stehen. Unser Bekannte geht weiter und bleibt erst stehen als er merkt, dass wir nicht nachkommen. Ich hätte es wissen müssen. Ich bin total schockiert und weiß für einen Moment nicht was ich machen soll. Man versucht mich zu überreden, dass ich nicht helfen kann, er sei krank. Der Hund blickt mir in die Augen. Es sind die traurigsten Hundeaugen die ich jemals gesehen habe. Es ist ein Blick von einem Lebewesen, dass keine Hoffnung mehr in sich trägt. Das irgendwie schon mit dem Leben abgeschlossen hat, aber das Leben noch nicht mit ihm. Und so wartet es, auf Erlösung. Ich gehe in die Knie. Es schüttelt den Hund durch als müsste er husten oder sich übergeben aber es passiert nichts. Es müssen Krämpfe sein. ich fühle mich so hilflos und kämpfe mit den Tränen. Stirbt er jetzt vor meinen Augen? Ein weiterer Blick der meine Knochen gefrieren lässt. Ich zwinge mich auf, ich muss etwas tun. Ein paar Menschen gehen vorbei, beachten weder uns noch den Hund. Ich stürme die Restaurantküche, winke einen zu mir her, frage nach Wasser für den Hund. Der Mann starrt mich fragend an, holt seine Chefin. Die hat kein Verständnis. "I'm busy.", sagt sie und verschwindet in die Küche. Obwohl ich ihr erklärt hatte, dass der Hund eventuell im Sterben liegt. Ich renne in den Laden um Hundefutter zu kaufen. Der Hund steht auf, kann es kaum erwarten bis ich die Packung öffne und macht sich über den Inhalt her. Ich sitze geduldig daneben. Unser Bekannte sieht uns gelangweilt an mit einer Prise Genervtheit. Er hat kein Verständnis. Aber bis auf Wellen scheint ihn nichts zu interessieren. Ich warte bis der Hund gesättigt ist, möchte ihm Wasser geben aber er wendet sich ab. Wir stellen ihm das Futter an seinen Platz. Bis auf einen Vater ist niemand stehen geblieben um sich dieses Häufchen Elend anzusehen. Ich frage mich warum. Sind die Menschen im Urlaub zu beschäftigt? Gehen Familien mit Scheuklappen durch die Welt? Wollen sie ihren Kindern nur die schönen Dinge zeigen und vor Problemen schützen? Für mich ist der französische Papa ein Held. Er hat gesehen, dass der Hund ein Problem hat. Hat sich Zeit genommen, hätte auch geholfen, hat seinem Kind die Situation erklärt. Er ist ein Vorbild. es stimmt mich traurig all die anderen Eltern zu sehen die ihre Kinder wegzerren, die sie gar nicht erst hinsehen lassen. Sie rennen vorbei, sind sich keiner Verantwortung bewusst. Es zeigt die Herzlosen. Es zeigt die Mentalität mit der wir uns überall herumzuschlagen haben. Die "Es wird jemand anderer machen" - Mentalität. Aber wo kommen wir damit hin? Was wäre wenn es dem eigenen Tier so gehen würde? Was würden wir alles dafür geben um ihm zu helfen? Und hier weit weg von zuhause, rennen sie alle vorbei, keiner fühlt sich verantwortlich. Ich bin traurig weil ich den Hund nicht mitnehmen kann, ihn nicht sofort untersuchen lassen kann. Aber glücklich als er sich auf seinem Sandhaufen zusammenrollt, neben dem Futtersack, nicht mehr zuckt und müde seine Augen schließt. Erst dann kann ich weitergehen.