Zugfahrtliebe 

Ich reise gerne mit dem Zug. Schon als Kind habe ich es geliebt auf diese Art die Landschaft zu entdecken. Aber das hier, das ist unschlagbar. Es ist die schönste Zugfahrt meines Lebens und ich bezweifle ob ich jemals eine schönere sehen werde. 

Train in Ella, Sri Lanka - Nussbaumer Photography
© Nussbaumer Photography

Es geht von Kandy nach Ella und wir sitzen zufällig auf der Seite mit der besseren Aussicht, rechts. Wir bleiben in einem Ort stehen der heißt Talawakele. Das klingt wie ein indianisches Dorf. Der Schaffner pfeift und der Zug bewegt sich weiter. Kleine Schulkinder winken uns vom Bahnsteig in ihren sauberen, weißen Schuluniformen. Die Jungs tragen kurze Hemden und kurze Hosen. Die Mädchen tragen weiße Kleider. Sie haben ihre dunklen Haare zu zwei Zöpfen geflochten und mit schwarzen Bändern zu Maschen gebunden. Weiter geht es, vorbei an Flüssen, Teefeldern, kleinen Dörfern, an Eisenbahnmitarbeitern, die ihre Arbeit unterbrechen während wir vorbeifahren. Sie halten das Werkzeug in ihren Händen und sehen uns nach. Eine kurze Pause in ihrem harten Arbeitsalltag. Vorbei an Felsen, so nahe am Zug, dass ich den Kopf einziehen muss. Es hat geregnet und wir sehen so viele Flüsse wie schon seit langem nicht mehr. Die Menschen sind vorbereitet, sie gehen mit Regenschirmen auf schmalen Trampelpfaden, sicheren Schrittes. Als es zu stark regnet um den Kopf nach draußen zu strecken, essen wir Mittag. Einheimisches Essen eingepackt in zusammengeklebte Seiten aus einem Mathematik Buch. Wir essen es gemeinsam mit Bananen da das Essen zu scharf ist. Die erste Kakerlake taucht auf. Sie ist noch klein und versucht sich durch den Zug zu essen. Wir werfen sie aus dem Fenster, in die Natur. Gute Reise! Wie wird Tee gesammelt? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Eine Frau steht mitten im Hang umrundet von Teebüschen. Grüner als grün. Eine Wohltat für meine Augen. Ich hatte vergessen, wie sehr ich dieses Grün vermisse. Ein Stückchen Heimat, dieses Grün, wenn auch vermischt mit einer guten Würze Fremde. Es ist viel kühler als in Kandy und das erste Mal wünsche ich mir eine Tasse Tee. Die Natur ist beeindruckend. Ich bin müde, würde gerne schlafen aber alle Versuche klappen nicht. Es ist die Landschaft die mich nicht schlafen lässt. Ich kann kaum meinen Blick abwenden. Ab und zu fahren wir durch rabenschwarze Tunnel und es wirkt als ob wir fast am Felsen streifen. Die Bahnhöfe sind alt und es wirkt als würden die Kolonialherren noch darin sitzen und Zugtickets verkaufen. Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen um sie wieder zu öffnen, wieder dieses frische Grün zu sehen. Ich möchte all das Grün in mir aufsaugen, damit meine Augen sich lange davon nähren können. Wenn ich wieder zurück bin und nur Sand und Meer sehe. Dann wird sich alles in mir wieder an das Grün erinnern. Ich sauge die frische Luft durch das offene Fenster ein. Meine Hände halten sich am Fensterrahmen fest, seit langer Zeit bin ich sprachlos. Die Aussicht hat mir die Worte gestohlen. Ich schweige, ich lächle und darf staunen wie ein Kind. Ich winke einem kleinen Jungen der mit seinem Vater auf dem Motorrad sitzt. Danke, Sri Lanka.