Rishikesh 

Im Cafe sitzend, schaue ich auf den Fluss der langsam Richtung Süden fließt. Am anderen Ufer flackern die Lichter in einigen Häusern kurz auf. Wir spielen wieder das Stromausfall Spiel. Und das macht das Städtchen abends noch sympathischer. Der Stromausfall macht es möglich, dass Menschen sich wieder von ihren Handys abwenden und endlich wieder eine Unterhaltung führen.

Tea in Rishikesh, India

Auf dem Tisch steht eine Kerze. Irgendwann wird der Strom wieder kommen. Manche haben Generatoren, andere keine. Abends wenn ich in Cafes sitze, wirkt Rishikesh schon fast malerisch. Solange ich hier oben sitze, meinen Mango Lassi trinke und vor mir nur den Ganges dahinfließen sehe. Wenn ich nur das andere Ufer und den großen Baum auf unserer Seite sehen kann, die leise Musik von den Nachbarn höre. Solange ist es malerisch und gemütlich. Bis die Spucklaute aus der Nachbarschaft wieder ertönen und ich mich frage ob ein Mann in der Nähe gerade seine Lunge ausgespuckt hat. Abends sind die Hupen der Autos kaum zu hören, nur ein paar Hunde jaulen. Nachts springen die Affen nicht wie wild herum auf der Suche nach Opfern denen sie das Essen aus der Hand reißen könnten.

 

Sobald ich die Metalltreppe hinuntergehe, sehe ich das wahre Rishikesh wieder vor mir liegen. Dreckige Pfützen, heilige Kühe die verzweifelt nach Futter suchen, schlafende Hunde, Verkäufer die geduldig auf den letzten Kunden warten. Nachts ist es ruhiger. Yogatouristen, Drogentouristen, Heiler, Bettler, Yogatherapeutenverkäufer, sie versuchen ihr Glück morgen wieder.

 

Rishikesh macht mich tagsüber wahnsinnig. Ich hatte mir ein kleines, nettes Pilgerstädtchen vorgestellt. In welcher Welt lebe ich eigentlich? In die Pilgerstadt strömen täglich zig Menschen um die heiligen Tempel abzuklappern oder sich bis auf die Unterhose ausziehen und sich im Ganges zu baden. Danach pilgern sie mit ihren Verwandten durch die Straßen auf der Suche nach Souvenirs oder Eis. Daneben gehen weiße Touristen mit Yogamatten bewaffnet zu ihren Kursen, zünden sich Zigaretten an, rasen in viel zu schneller Geschwindigkeit ohne Helm an mir vorbei, kaufen sich Wasser auf Vorrat oder grüßen liebevoll Einheimische.

 

An jeder Ecke verspricht ein Guru Heilung, Ayurveda ist das Schlagwort und in jedem zweiten Haus wird Yoga angeboten. Im Ganges wird die heilige Waschung Nebensache denn die Inder stürzen sich lieber mit Raftingbooten durch die Strömung. Wer nach Rishikesh kommt und Ruhe sucht, ist falsch. Touristenjeeps hupen wie verrückt während sie die kleinen Straßen entlang rasen. Händler rufen mich mit „Madam, madam!!!“. Madam möchte heute nichts einkaufen und auch morgen nicht. Madam dachte sich hier wäre ein guter Ort um zur Ruhe zu kommen. Wie falsch sie lag. Auf der Brücke blicke ich auf den Ganges, genieße eine ruhige Sekunde während hinter mir schon wieder Menschen warten, dass ich weitergehe. „Madam, picture?“ Ich lasse mich auf eines ein. „Madam, no, please one more. Selfie, ok?“ Ein kleiner Junge geht mit seiner Familie vorbei und ich höre ihn sagen: „Hey, Auntie!“ Ich rufe zurück „Hey uncle!“, seine Familie lacht. Während ich mich bei 45 Grad mühsam die Treppen hoch schleppe, höre ich einen alten Mann neben mir sagen „Tourist chick“.